21.06.2014
INTERVIEW: Mit einemDoppelkonzert eröffnen der Trompeter und Pianist Sebastian Studnitzky mit seiner Formation „KY – The String Project“ sowie die amerikanische Sängerin Dee Dee Bridgewater am Freitag, 28. Juni, 19 Uhr, in der Speyerer Gedächtniskirche das Festival „Palatia Jazz“. Unsere Mitarbeiterin Anne Kirchberg hat mit Studnitzky gesprochen.
ZUR PERSON | Sebastian Studnitzky
Wie kommt ein Schwarzwälder zur Jazzmusik?
Durch eine polnische Dixie-Band. Ich spielte im Alter von zirka 13 Jahren in einer Blaskapelle im Schwarzwald, die ein Dixieland-Konzert gemeinsam mit einer polnischen Dixieland- Kapelle veranstaltete. Damals hörte ich zum ersten Mal Jazz, und es gefiel mir so gut, dass ich eine Schulband gründete – und somit fing alles an.
Was verbirgt sich hinter „KY – The String Project“?
Weil Studnitzky ein bisschen lang und sperrig ist, nenne ich mich in letzter Zeit nur noch KY – das kann jeder genauso aussprechen, wie er will. Die Idee zu diesem Projekt besteht seit zirka zwei Jahren, aber ich schrieb früher bereits für Streicher-, Jazz- und Pop-Produktionen, das interessierte mich schon immer. Jetzt habe ich vor zwei Jahren beschlossen, ich mache mal ein neues Projekt um eine Streicherbesetzung herum. Das spielte ich jetzt relativ oft mit einem Streicherquartett, und in Speyer habe ich das Vergnügen, mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester aufzutreten, was total toll ist.
Welche Musik erwartet einen da?
Es ist – keine Ahnung, irgendwie passt diese von mir komponierte Musik in keine Schublade. Es wird improvisiert, hat mal was mit Klassik zu tun und es sind Lieder, die auchmal schön sein dürfen. Das ist irgendwie eine Mischung, die ziemlich speziell ist. Deshalb erhalte ich viele interessante Reaktionen auf die Musik: Manche Leute, die davor relativ wenigmit Jazz zu tun oder keinen Zugang zurKlassik haben, erreichen die Klänge in dieser Kombination schönerweise.
Ist es Ihnen wichtig, andere Musik als die meisten anderen zu schreiben?
Nein, es ist nicht mein Hauptantrieb, etwas anders zu machen. Kunst entsteht durch eine Vision:Man steht eines Morgens auf und hat ein Lied oder einen Klang im Kopf und dann versuchtman, ihn möglichst konsequent umzusetzen. Stilistisch konnte ich mich dabei stets frei machen. Ich komme aus einem klassischen Elternhaus, habe Jazz studiert, viel elektronische Musik und in Popbands gespielt. Mir gefällt es einfach, verschiedene Stile zu verbinden.
Warum gründeten Sie vor zwei Jahren Ihr eigenes Label?
Ich finde es enorm wichtig, neue Strukturen zu schaffen. In Deutschland ticken wir weiterhin in dem bescheuerten E-Musik und U-Musik- Denken, unterscheiden also zwischen ernsthafter und unterhaltsamer Musik. Gerade in den deutschen Medien besteht dieses Schubladendenken, für mich spielt die interessante Musik eigentlich dazwischen. .Da es dort bisher keine richtige Struktur gibt, schaffe ich sie mir selbst, eben indem ich mein Label gründete, auf dem wir auch viele andere Bands veröffentlichen und ein Netzwerk schaffe. Wir versuchen, damit unsere eigene Sichtweise von Musik zu kommunizieren.
Ist es nicht sehr anstrengend, zusätzlich zum eigenen Kreativsein noch all diese Arbeit zu übernehmen?
Beides ist wahnsinnig anstrengend und bereitet wahnsinnig Spaß. Für Künstler hat sich heutzutage viel geändert, man ist Teil der Kunst und muss sich selbst einen Markt schaffen. Früher gab es die großen Plattenfirmen, die alles für einen Künstler organisierten und einem viel Geld gaben – aber eben auch in die Produktion reinredeten. Heute managt sich ein Künstler selbst, und dank der mittlerweile günstigen Technologien und Produktionsmöglichkeiten ist man unabhängiger. Dadurch kann jeder seine Sachen genauso fertigstellen, wie er denkt. Ich finde, wir leben diesbezüglich in einer sehr kreativen und spannenden Zeit.
Ist die Zusammenarbeit mit einem Kammerorchester für einen Jazzmusiker ebenfalls etwas Spannendes?
Ich stamme aus einem klassischen Elternhaus, mein Vater war Dirigent und später Musikschulleiter.Dadurch wuchs ich mit klassischer Musik auf, die insofern kein Fremdkörper für mich ist. Für mich ist das Interessante an der Musik, die ich momentan spiele, die Herausforderung, eine Brücke zwischen strukturierter und improvisierter Musik zu schaffen. Mit meinem Trio kann ich mich ohne eine Absprache auf die Bühne stellen und komplett zwei Stunden lang Musik kreieren. Im klassischen Kontext wird hingegen jedes noch so kleine Detail notiert. Diese Grenzen aufzubrechen und die Elemente zu verbinden, die Übergänge von ganz frei improvisiert und strikt aufgeschrieben zu kreieren – das Orchester spielt etwas Festes, und wir Jazzmusiker bewegen uns frei darüber, das ist spannend.
von Johannes Götzen
DIE RHEINPFALZ NR. 141
SAMSTAG, 21. JUNI 2014